Die Kellnerin

Die Kellnerin

Ein weiteres Gespräch war mit einer Kellnerin, 34 Jahre alt, die mit ihrem 11-jährigen Sohn in einer 42 qm kleinen Wohnung lebt.

Als sie das erste Mal über das Grundeinkommen, im Speziellen über das bedingungslose Grundeinkommen, erfahren hat, war sie sofort davon begeistert, ohne lange darüber nachzudenken.

Jetzt stellt sich für mich folgende Frage:

„Könnte diese anfängliche Begeisterung darauf zurückzuführen sein, weil sie selbst nur über ein sehr kleines Gehalt verfügt, oder gibt es noch andere Gründe dafür?“

Im Gespräch erfuhr ich, dass sie lange gebraucht hatte, von ihrem Freund und Vater ihres Sohnes loszukommen, da die finanzielle Abhängigkeit vom Kindsvater sehr groß war.

Weiters erfuhr ich, dass sie schon öfter einmal vom Grundeinkommen gehört hatte und sie recht schnell erkannte, dass dann jeder finanziell unabhängig wäre, was bereits schon aufgrund ihrer eigenen Erfahrung sehr wünschenswert wäre.

In diesem Zusammenhang denke ich, dass bei vielen Menschen, die sich in einer ähnlichen Situation wiederfinden, hier ein bedingungsloses Grundeinkommen enorm wichtig wäre. Sie könnten die richtigen Entscheidungen zum richtigen Zeitpunkt treffen und würden dadurch gar nicht in bestimmte Situationen kommen, wäre bereits ein Grundeinkommen vorhanden gewesen.

Weiters erfuhr ich, wie schwer sich die alleinerziehende Kellnerin tut, ihren Fixkosten nachzukommen und auch ausreichend Zeit für ihren Sohn zu haben. Um ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten, geht sie nebenher noch bei zwei älteren Personen putzen und erledigt für diese kleine Besorgungen, um so finanziell halbwegs über die Runden zu kommen.

Dieser Zustand ist auch dem geschuldet, weil der Kindesvater seit der Trennung keinerlei Alimente leistet und damit der Existenzdruck für die Kellnerin enorm angestiegen ist.

Menschen, die einer ständigen Existenzangst ausgesetzt sind, finden kaum Zeit für sich selbst und sind daher einer Vielzahl gesundheitlicher Gefahren ausgesetzt, sowohl psychologischer als auch körperlicher Natur.

Sie bedauert es sehr, dass jede Kleinigkeit, wie neue Kleidung für ihren Sohn, Taschengeld, Ausflüge von der Schule und eigene Wünsche oft nicht mehr finanziell zu schaffen sind. So lamentiert sie, dass ihr einziges Hobby, zu malen, nicht mehr möglich sei, da sie weder die notwendige Ruhe und Zeit noch die finanziellen Mittel dazu hat.

Trotz aller Widrigkeiten ist sie dennoch ein lebensfroher Mensch und versucht das Beste aus ihrem Leben zu machen, dabei sieht sie in ihrem Sohn eine wichtige Lebensaufgabe, damit dieser nicht auf die schiefe Bahn gerät und widmet sich in ihrer knappen Freizeit ganz und gar diesem.

Ich war von dieser Geschichte gerührt und war froh, auf so einen derart interessanten Menschen zu stoßen–, der sich trotz seiner Lage so öffnet und mir gegenüber einen Einblick in sein aktuelles Leben gewährte.

Dafür sage ich danke. Ich wollte dann aber noch gerne von ihr wissen, wie wohl ihr Leben aussähe, würde sie ein bedingungsloses Grundeinkommen nach dem internationalen Modell BGE+ erhalten.

Ihre erste Reaktion war ein kleines sichtbares Lächeln und in ihrem Gesicht breitete sich viel Freude aus. Sie holte tief Luft und fing an, einfach so zu erzählen, als ob sie schon mal drüber nachdachte.

Sie würde gerne eine etwas größere Wohnung haben wollen, wo ihr Sohn sein eigenes Zimmer bekäme. Als Kellnerin würde sie trotzdem weiter arbeiten, wenngleich weniger Stunden, damit sie auch noch Zeit für sich selbst hätte.

Und ja, sie würde sofort wieder mit der gewonnenen Freiheit mit dem Malen anfangen und sich auch weiterbilden wollen, da sie damals wegen der Geburt ihres Sohnes ihr Architekturstudium abgebrochen hatte.

Hier sehen wir wieder anhand dieser Aussage sehr gut, wie sehr den Menschen ein Grundeinkommen fehlt, um sich tatsächlich frei entwickeln zu können.

An dieser Stelle denke ich gerade darüber nach, wie viele Menschen wohl ihr Studium oder sonstige Ausbildung einfach so abbrechen mussten, weil sie dazu direkt oder auch indirekt gezwungen waren, einer Erwerbsarbeit (bezahlte Arbeit) nachzugehen, weil – aus welchen Gründen auch immer – dies notwendig wurde.

Wie viel Leid und unnötiger Stress dadurch verursacht wird, kann sich wohl kaum jemand vorstellen, der nicht Gleiches oder Ähnliches durchmachte.