Der Straßenbewohner

Strassenbewohner ohne Grundeinkommen

An einem besonders heißen Sommertag, es war etwa 15:00 Uhr, kam ich mit einem 50-jährigen Straßenbewohner rein zufällig ins Gespräch, als dieser mich nach einer Zigarette fragte.

Ich war gerade am Heimweg von einem guten Freund und spazierte noch durch den Park. Als ich seine Bitte verneinte, da ich selbst Nichtraucher bin, war seine spontane Reaktion ein Lächeln und sein Kommentar: „Es raucht doch kaum noch jemand”.

Darauf reagierte ich mit einem “Ohne Rauch geht’s doch auch”. Und er darauf “Jo, do host recht”, “Scheiß drauf”.

Da diese kurze Begegnung an einem Mittwochnachmittag war fragte mich der Straßenbewohner plötzlich, ob ich auch arbeitslos sei?

Und diese kleine Initiative führte am Ende zu einem dreistündigen Gespräch, wo wir über Politik, Kinder, Frauen, Wirtschaft und natürlich auch über das bedingungslose Grundeinkommen zu sprechen kamen, wobei wir am Ende gut eine Stunde nur über das Grundeinkommen sprachen. So erstaunlich es klingen mag, dieser Herr, der heute auf der Straße lebt, war früher mal ein recht erfolgreicher Bauingenieur.

Ich erinner mich deshalb so gut an diesem Herrn, weil mich der Park, in dem ich spazieren lief, mich an meine Oma erinnerte, die ganz in der Nähe gewohnt hatte und uns als Kleinkinder- mich mit meinen zwei Geschwistern – manchmal mit in genau diesen Park mitnahm. Von daher verbindet mich mit diesem Park eine ganz besondere Erinnerung an meine liebe Oma.

Außerdem war dies eines der ersten Gespräche, die ich 2017 führte, kurz nachdem ich als sogenannter Wirtschaftsflüchtling von Brasilien wieder zurück nach Österreich kam, voller neuer Ideen für ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Damals war das internationale Grundeinkommensmodell BGE+ noch kein Thema und trotzdem sprach ich schon mit wildfremden Menschen darüber.

Was mir bei dem Gespräch mit diesem Straßenbewohner auffiel, war, dass dieser einem solchen Grundeinkommen gar nicht ablehnend gegenüberstand, sondern eigentlich sehr neugierig war, um mehr über diese Idee zu erfahren.

Er erzählte mir, dass er sehr gerne wieder einen Weg zurück finden würde, jedoch keine Chance sieht, nachdem was alles vorgefallen war, zumal er durch seinen „Absturz“ auch eine ganze Menge an Schulden angehäuft hatte.

Einmal abgesehen davon hätte der bereits hohe Konsum an Alkohol schon zu einem Verlust von Realitäten und Kapazitäten bei ihm geführt. Und nun, in einer Mischung aus Scham, Schuldgefühlen und Ohnmacht, ist es ihm nahezu unmöglich, aus diesem Teufelskreis, in dem er sich gefangen fühlt, wieder auszubrechen.

Er erzählte mir, dass die meisten Straßenbewohner oft davon träumen, dass all das am liebsten nie geschehen wäre, das zu einem solchen Absturz geführt hat. Wenngleich jede Geschichte auch etwas anders ablief, meint er, und niemand mit der eigenen Situation zufrieden sei, jedoch kaum jemand dies offen zugeben würde, wären die meisten von der alten Welt (Situation) verletzt zurückgelassen worden.

Damals erkannte ich sehr gut, dass dieser Mensch, der nun mittellos auf der Straße lebt, wohl kaum so weit gekommen wäre, hätte es bereits ein bedingungsloses Grundeinkommen gegeben. Er selbst, der erst seit etwa drei Jahren auf der Straße lebt, gab zu, dass er durch die Trennung von seiner Frau, die ihn betrog, und seiner Tochter und den Tod seines Vaters – alles geschah im gleichen Jahr – einfach so stark abstürzte, dass er einfach seine Miete in seiner alten Wohnung nach dem Verlust des Arbeitsplatzes nicht mehr bezahlen konnte. Und so landete er sehr schnell auf der Straße.

Die Verknüpfung unterschiedlicher Ereignisse, wie die einer Trennung oder Verlust des Arbeitsplatz, Tod eines Elternteiles, oder Kombinationen daraus, kann zu einem Totalabsturz führen, der dann durch die fehlende soziale Sicherheit sehr schnell dazu führen kann, dass man mittellos auf der Straße landet.

Mit einem bedingungslosem Grundeinkommen wäre dies wohl nicht der Fall gewesen.

An diesem Nachmittag trennte ich mich von diesem Straßenbewohner mit einem Versprechen, welches ich nicht nur ihm, sondern vor allem mir selbst gegeben hatte, mich für das Grundeinkommen, dem bedingungslosen Grundeinkommen, solange daran zu arbeiten, bis es zu seiner weltweiten Einführung kommt. Damit in Zukunft kein Mensch mehr so weit abstürzen kann, dass er auf der Straße landet.